Kündigungsbestimmung des § 1159 ABGB nF auf freie Dienstverhältnisse nicht anwendbar
OGH 27. 2. 2025, 8 ObS 4/24g
1. Sachverhalt
* Der Kläger war als freier Dienstnehmer bei einer GmbH beschäftigt. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH trat er gemäß § 25 IO aus dem Dienstverhältnis aus.
* Der Kläger beantragte Insolvenz-Entgelt für eine Kündigungsentschädigung. Die beklagte IEF-Service GmbH lehnte einen Teil des Anspruchs ab.
* Der Kläger begehrte die Zahlung des abgelehnten Teils der Kündigungsentschädigung als Insolvenz-Entgelt.
2. Rechtliche Kernaussagen
§ 1159 ABGB nF gilt nicht für freie Dienstverhältnisse:
Die Bestimmung dient dem sozialen Schutz von Arbeitnehmern (ähnlich § 20 AngG). Sie ist nicht auf freie Dienstnehmer übertragbar, da diese nicht in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis stehen.
Keine planwidrige Regelungslücke:
* Der Gesetzgeber wollte mit § 1159 ABGB nF die Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten beseitigen, nicht ein einheitliches Kündigungsrecht für alle Dienstverhältnisse schaffen.
*Eine analoge Anwendung auf freie Dienstverhältnisse ist daher nicht zulässig.
Arbeitnehmerähnlichkeit reicht nicht aus:
* Auch wenn ein freier Dienstnehmer sozialversicherungsrechtlich als „arbeitnehmerähnlich“ gilt, rechtfertigt das nicht automatisch die Anwendung arbeitsrechtlicher Kündigungsbestimmungen.
* Nur in besonders stark ausgeprägten Fällen könnte eine analoge Anwendung denkbar sein – was hier nicht zutraf.
Vereinbarte Kündigungsfrist von 4 Wochen ist angemessen:
* Diese orientiert sich an der alten Rechtslage (§§ 1159 ff ABGB aF) und ist nicht unangemessen kurz.
* Es besteht kein Anspruch auf Insolvenz-Entgelt über den 31.12.2022 hinaus.
3. Fazit des OGH
Die Kündigungsbestimmungen des § 1159 ABGB nF sind nicht auf freie Dienstverhältnisse anwendbar. Eine analoge Anwendung ist weder durch eine Gesetzeslücke noch durch Arbeitnehmerähnlichkeit begründbar. Die individuell vereinbarte Kündigungsfrist ist maßgeblich.
KV-Mindestentgeltanspruch gegen ausländischen Dienstgeber ohne Sitz in Österreich
OGH 14. 1. 2025, 8 ObA 55/24g
1. Rechtsgrundlage: § 3 Abs 2 LSD-BG
Ein Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich hat Anspruch auf jenes Entgelt (gesetzlich, per Verordnung oder kollektivvertraglich festgelegt), das vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern am Arbeitsort gebührt – auch wenn der Arbeitgeber im Ausland sitzt und keinem österreichischen Kollektivvertrag unterliegt.
2. Ziel der Regelung
* Verhinderung von Sozialdumping durch ausländische Arbeitgeber.
* Sicherstellung, dass auch bei grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung österreichische Mindeststandards eingehalten werden.
3. Fiktive Fachgruppenmitgliedschaft
Für die Anwendung eines Kollektivvertrags ist zu prüfen, welcher Fachgruppe der ausländische Arbeitgeber angehören würde, wenn er in Österreich tätig wäre.
Diese fiktive Mitgliedschaft ist gerichtlich zu beurteilen (anders als bei inländischen Arbeitgebern, wo die Wirtschaftskammer zuständig ist).
Beispiel aus der Entscheidung (OGH 14.1.2025, 8 ObA 55/24g)
Ein deutscher Arbeitgeber vertreibt ein Schulungsprogramm zum Online-Devisenhandel.
Das Gericht stellte fest, dass diese Tätigkeit in Österreich dem freien Gewerbe „Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik“ (§ 153 GewO) zuzuordnen wäre.
Daraus folgt die Anwendung des IT-Kollektivvertrags (KV für Arbeitnehmer in der automatischen Datenverarbeitung und IT).
4. Wichtige Klarstellungen
Gibt es keinen vergleichbaren Kollektivvertrag (z. B. weil auch vergleichbare Inlandsarbeitgeber kollektivvertragsfrei sind), besteht kein Anspruch auf kollektivvertragliches Mindestentgelt.
Die Frage, welchem Gewerbe ein ausländischer Arbeitgeber zuzuordnen wäre, ist einzelfallbezogen.
BFG: Sachbezug für Dienstfahrzeug eines Außendienstmitarbeiters der Finanzverwaltung
BFG 13. 3. 2025, RV/1100250/2023
1. Kernaussage des BFG-Urteils
Ein Sachbezug ist dann anzusetzen, wenn ein Außendienstmitarbeiter sein Dienstfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzt – selbst, wenn dies nur fallweise geschieht.
2. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war Betriebsprüfer im Außendienst. Er nutzte ein arbeitgebereigenes Fahrzeug. Seine Wohnung lag in Gemeinde X, seine Dienststelle in Gemeinde Y. Hauptsächlich war er bei einem Einsatzort (Prüfort) in Gemeinde Z tätig. Er fuhr überwiegend direkt von seiner Wohnung zum Prüfort. Fallweise fuhr er auch zur Dienststelle in Y, um dort Innendienst zu verrichten.
3. Rechtliche Beurteilung
§ 15 Abs 1 EStG 1988 und § 4 Abs 2 Sachbezugswerte-VO sind maßgeblich.
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte liegen vor, wenn:
* Der Einsatzort regelmäßig und überwiegend direkt von der Wohnung aus angefahren wird.
* Die Dienststelle (Arbeitsstätte) auch nur fallweise aufgesucht wird.
Innendienst liegt auch bei kurzfristigen Tätigkeiten vor (z. B. Besprechungen, Literaturstudium). Kein Innendienst liegt vor, wenn die Dienststelle nur aus organisatorischen Gründen (z. B. Fahrzeugwechsel) aufgesucht wird.
4. Ergebnis
Fahrten zum Einsatzort, die überwiegend unmittelbar von der Wohnung aus angetreten werden, gelten ab dem Folgemonat als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Da der Beschwerdeführer das Dienstfahrzeug auch für Fahrten zur Dienststelle (Prüfort) nutzte, wurde somit ein geldwerter Vorteil (Sachbezug) zu Recht angesetzt.
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