Haftung für die Umsatzsteuer ausländischer Lieferanten – Wie kann diese in der Praxis vermieden werden?

Die Umsatzsteuer-Abfuhrverpflichtung nach § 27 Abs 4 UStG stellt eine Steuersicherungsmaßnahme dar. Inländische Unternehmer können durch diese Bestimmung dazu verpflichtet werden, die Umsatzsteuer für ein anderes Unternehmen (ausländischer Leistungserbringer) einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Dies sogar auch dann, wenn der ausländische Leistungserbringer fälschlicherweise keine Umsatzsteuer auf seiner Rechnung ausgewiesen hat. Die Nichteinhaltung des Abzugsverfahrens kann bspw. anlässlich einer behördlichen Umsatzsteuernachschau oder Betriebsprüfung zu unangenehmen Überraschungen führen (20%-Verteuerung des Einkaufpreises). Was Sie machen können, damit es erst gar nicht zum Übersehen einer allfälligen Einbehaltungs- und Abfuhrverpflichtung kommt, erfahren Sie im Folgenden. Unser Entscheidungsbaum stellt dabei sicher, dass Anwendungsfälle in der Praxis erkannt werden.

 

Hintergrund

Die Haftung des Leistungsempfängers für die Umsatzsteuer des leistenden Unternehmens besteht, wenn das leistende Unternehmen eine im Inland steuerpflichtige Leistung ausführt und dieses leistende Unternehmen weder Wohnsitz (Sitz) noch einen gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Betriebsstätte im Inland hat. Nicht umfasst sind jene Leistungen, bei denen es zum Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger (Anwendung des Reverse Charge Systems) kommt, wie bspw. sonstige Leistungen, Werklieferung, Bauleistungen oder die Lieferungen von Mobilfunkgeräten. Ebenfalls nicht umfasst sind sonstige Leistungen betreffend Eintrittsberechtigungen, zB bei Messen und Ausstellungen gemäß § 3a Abs 11a UStG 1994. Wesentlicher Anwendungsfall der Abfuhrverpflichtung sind demnach steuerpflichtige Lieferungen.

 

Das Vorliegen einer Betriebsstätte ist in jedem Einzelfall gesondert zu beurteilen. Für das Umsatzsteuerrecht in Bezug auf die Abfuhrverpflichtung gemäß § 27 Abs. 4 ist der Betriebsstättenbegriff des § 29 BAO maßgeblich, sofern für die Auslegung nicht die Judikatur des EUGH zur festen Niederlassung anzuwenden ist. Eine Betriebsstätte ist gemäß § 29 BAO jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung des Betriebes oder wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes dient. Betriebsstätten sind dann anzunehmen, wenn beispielsweise der Ort der Geschäftsleitung, eine Zweigniederlassung, Fabrikationsstätten, Warenlager, Ein- und Verkaufsstellen oder Bauausführungen über 6 Monate im Inland liegen.

 

Liegt die Abfuhrverpflichtung vor, muss der Leistungsempfänger für dessen Unternehmen die Lieferung ausgeführt wurde, die auf die Lieferung entfallende Umsatzsteuer einbehalten und an das Finanzamt Graz-Stadt, im Namen und für die Rechnung des leistenden Unternehmers, abführen. Kommt der Leistungsempfänger seiner Verpflichtung nicht nach, so haftet dieser für den entstandenen Steuerschaden. Die Haftung wird durch einen Haftungsbescheid beim Leistungsempfänger geltend gemacht. Dabei ist es irrelevant ob die Umsatzsteuer beim ausländischen Unternehmer einbringlich ist oder nicht. Dies könnte ua dann relevant sein, wenn das ausländische Unternehmen keine inländische Steuernummer besitzt und daher kein Anknüpfungspunkt seitens der Finanzverwaltung besteht. Nur durch Zahlung des Umsatzsteuerbetrages kann sich der Leistungsempfänger seiner Haftung entziehen.

 

Die Abfuhrverpflichtung betrifft neben den juristischen Personen des öffentlichen Rechts, in- und ausländische Unternehmen, wobei hier unwesentlich ist, ob diese nach § 6 UStG 1994 steuerbefreit sind, besondere Besteuerungsformen (§§ 23 und 24 UStG 1994) angewendet werden oder pauschaliert sind (§§ 14, 22 oder 25 UStG 1994). So kann es zum Beispiel sein, dass Kleinunternehmer, Kreditinstitute oder Land- und Forstwirte von der Verpflichtung zur Abfuhr der Umsatzsteuer betroffen sind.

 

Hinweis

Keine Abfuhrverpflichtung liegt bei Steuerschuld kraft Rechnungslegung vor. Es muss tatsächlich zu einem Steuerausfall, basierend auf einer steuerpflichtigen Leistung gekommen sein.

 

Anwendungsbeispiele aus der Praxis

Im Folgenden möchten wir drei Anwendungsbeispiele zum besseren Verständnis der Abfuhrverpflichtung darstellen. Neben unten angeführten Beispielen zählen auch die Duldung der Benutzung von Mautstraßen gegen Entgelt und Erwerbe von Schwellenerwerbern (z.B. Kleinunternehmern) bei Lieferung von ausländischen Unternehmern über der Lieferschwelle zu den Hauptanwendungsfällen für die Haftung der Umsatzsteuer.

 

Beispiel 1 – Verkauf von Ausstellungsstücken auf einer Messe

Ein tschechischer Hersteller (CZ) verkauft auf einer Messe in Wien eine Kaffeemaschine an ein Unternehmen aus der Steiermark (AT). Die Rechnung wir ohne Umsatzsteuer mit dem Vermerk „steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung“ ausgestellt.

Rechnung:                  CZ –AT

Kaffeemaschine:        Übergabe auf Messe in AT

Zur Beurteilung dieses Sachverhalts muss festgestellt werden, ob das leistende Unternehmen Wohnsitz (Sitz), gewöhnlichen Aufenthalt oder Betriebstätten in Österreich unterhält und ob in Österreich eine steuerpflichtige Lieferung vorliegt.

Sofern der tschechische Hersteller keine Betriebsstätte in Inland unterhält, muss überprüft werden, ob als zweite Voraussetzung eine steuerpflichte Lieferung in Österreich vorliegt.

Im vorliegenden Fall entscheidet sich AT auf der Messe zum Kauf des Kaffeemaschine und die Übergabe findet direkt auf dieser Messe statt, daher liegt der Lieferort gemäß § 3 Abs 7 UStG 1994 in Österreich  (Ort der Verschaffung der Verfügungsmacht). Die Rechnung des tschechischen Herstellers müsste richtigerweise mit 20% Umsatzsteuer ausgestellt werden. Ein korrekter Ausweis der Umsatzsteuer ist für den Vorsteuerabzug notwendig. Allerdings besteht die Abfuhrverpflichtung unabhängig von einer richtigen Rechnung. Sofern keine Korrektur der Eingangsrechnung erfolgt, muss AT die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer selbst berechnen. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe der gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer ist in Bezug auf die Abfuhrverpflichtung die Auffassung des Leistungsempfängers maßgebend. Wurde die Rechnung korrigiert, hat AT den Nettobetrag an den tschechischen Hersteller und den Umsatzsteuerbetrag an das Finanzamt Graz-Stadt zu überwiesen. Nur so kann sich AT der Haftung entziehen.

 

Beispiel 2 – Kauf auf Probe

Ein österreichisches Produktionsunternehmen (AT) benötigt ein neues Werkzeug und daher lässt sich das Produktionsunternehmen drei verschiedene Modelle von einem deutschen Werkzeughersteller (DE) zu Testzwecken liefern. Innerhalb einer gewissen Frist, kann sich das Produktionsunternehmen für ein Werkzeug entscheiden oder bei Nichtgefallen gar keines nehmen.

Rechnung:                  DE –AT (bei Annahme)

Werkzeug:                  Kauf auf Probe

Zur Beurteilung dieses Sachverhalts muss festgestellt werden, ob das leistende Unternehmen Wohnsitz (Sitz), gewöhnlichen Aufenthalt oder Betriebstätten in Österreich unterhält und ob in Österreich eine steuerpflichtige Lieferung vorliegt.

Sofern der deutsche Hersteller keine Betriebsstätte in Inland unterhält, muss überprüft werden, ob als zweite Voraussetzung eine steuerpflichte Lieferung in Österreich vorliegt.

Im vorliegenden Fall kommt es zum innergemeinschaftlichen Verbringen seitens des deutschen Werkzeugherstellers von Deutschland nach Österreich. Bei Annahme eines Werkzeuges von AT bestimmt sich der Lieferort nach dem Ort der Übergabe der Verfügungsmacht (§ 3 Abs 7 UStG 1994) und dieser liegt in Österreich. Die Rechnung des deutschen Werkzeugherstellers muss richtigerweise mit 20% Umsatzsteuer ausgestellt werden. Ein korrekter Ausweis der Umsatzsteuer ist für den Vorsteuerabzug notwendig. Allerdings besteht die Abfuhrverpflichtung unabhängig von einer richtigen Rechnungsausstellung. AT darf nur den Nettobetrag an den deutschen Hersteller überweisen und der Umsatzsteuerbetrag muss an das Finanzamt Graz-Stadt abgeführt werden. Nur so kann sich AT der Haftung entziehen.

 

Beispiel 3 - Warenlieferung

Ein italienischer Unternehmer (IT) verkauft an einen österreichischen Unternehmer (AT2) Waren und bezieht diese Ware seinerseits von einem österreichischen Lieferanten (AT1). AT1 lässt die Waren direkt zu AT2 bringen.

Rechnung:                  AT1 – IT – AT2

Waren:                       Direkt von AT1 – AT2

Zur Beurteilung dieses Sachverhalts muss festgestellt werden, ob die leistenden Unternehmen (AT1 und IT) Wohnsitz (Sitz), gewöhnlichen Aufenthalt oder Betriebstätten in Österreich unterhalten und ob in Österreich steuerpflichtige Lieferungen vorliegen.

Für den österreichischen Unternehmer AT1 liegt der Sitz der Gesellschaft im Inland und daher hat IT die Bestimmung gemäß § 27 Abs 4 UStG auf die Lieferung zwischen AT1 und IT nicht anzuwenden. Die Beurteilung eines ausländischen Unternehmens ist für den Leistungsempfänger oftmals schwieriger. Sofern der mittlere leistende Unternehmer (IT) eine Betriebsstätte im Inland unterhält, kann dieser bei dem für Ihn zuständigen Finanzamt eine Bescheinigung über das Vorliegen einer Betriebsstätte beantragen. Das relevante Formular ist auf der Homepage des BMF (https:\\www.bmf.gv.at) unter „U71 ANTRAG auf Bescheinigung über das Vorliegen einer Betriebsstätte“ zu finden.  Eine vom Finanzamt bestätigte Bescheinigung ist in der Regel 1 Jahr nach dem Ausstellungsdatum gültig und entbindet in diesem Zeitraum den Leistungsempfänger vom Abzugsverfahren gemäß §27 Abs 4 UStG 1994.

 

Hinweis

Das Formular „U70 Nachweis über die Erfassung als vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmerin/vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer“ bestätigt lediglich, dass der Unternehmer zur Umsatzsteuer erfasst wurde und ist für Zwecke des Haftungsentfalls nicht ausreichend.

 

Sollte die Beurteilung ergeben, dass der italienische Unternehmer im Inland weder einen Wohnsitz (Sitz), gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Betriebsstätte hat, kommt es zur Abfuhrverpflichtung kommen, sofern eine steuerpflichtige Lieferung in Österreich vorliegt. 

Für steuerpflichtige Lieferungen in Österreich kommen grundsätzlich § 3 Abs 8 UStG 1994 und § 3 Abs 7 UStG 1994 zur Anwendung. Für die Lieferung von AT1 nach IT ist festzuhalten, dass  AT1 die Ware direkt zu AT2 befördern lässt. Deshalb bestimmt sich der Lieferort nach dem Ort, wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung befindet. (§ 3 Abs 8 UStG 1994) Der Lieferort ist demnach Österreich und da keine Steuerbefreiung Anwendung findet, ist diese Lieferung in Österreich steuerpflichtig. AT1 muss die Rechnung an IT mit österreichischer Umsatzsteuer ausstellen. Die Abfuhrverpflichtung besteht allerdings nicht, da wie schon erwähnt AT1 seinen Sitz im Inland hat.

Für die Lieferung von IT an AT2 ist festzuhalten, dass AT2 die Verfügungsmacht über den Gegenstand in Österreich erhält (Übergabe der Ware in Österreich). Der Lieferort bestimmt sich demnach nach § 3 Abs 7 UStG, also danach wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet und liegt in Österreich. Es handelt sich um eine in Österreich steuerpflichte Lieferung. IT muss die Rechnung an AT2 ebenfalls mit österreichischer Umsatzsteuer ausstellen.

Aufgrund dessen, dass der italienische Unternehmer weder einen Wohnsitz (Sitz), gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Betriebsstätte im Inland und eine im Inland steuerpflichtige Lieferung ausgeführt hat, kommt es zur Abfuhrverpflichtung gemäß § 27 Abs 4 UStG. IT muss richtigerweise die Rechnung an AT2 mit österreichischer Umsatzsteuer ausstellen. Ist die Rechnung ohne Umsatzsteuer ausgestellt, sollte bei IT die Korrektur der Rechnung verlangt werden, da ein etwaiger Vorsteuerabzug an eine ordnungsgemäße Rechnung geknüpft ist. Um sich der Haftung zu entziehen, muss AT2 im Namen und für Rechnung von IT die Umsatzsteuer an das Finanzamt Graz-Stadt abführen.

 

Hinweis

Weist das ausländische Unternehmen keine Umsatzsteuer aus, so ist der Leistungsempfänger dennoch verpflichtet, die Umsatzsteuer heraus zu rechnen und an das Finanzamt Graz-Stadt abzuführen.

 

Maßnahmen zur Vermeidung der Haftung

Zur Vermeidung der Haftung für die Umsatzsteuer des leistenden Unternehmens kann schon bei der Lieferantenauswahl des Einkaufs darauf geachtet werden, dass Lieferungen von inländischen Unternehmen bzw. Unternehmen mit inländischer Betriebsstätte bezogen werden. Im Zweifelsfall kann das bestellende Unternehmen noch vor der Bestellung die Bescheinigung (U71, siehe oben) über das Vorliegen einer Betriebsstätte vom Lieferanten verlangen.

 

In der Buchhaltungsabteilung sollte aufgrund der Eingangsrechnungen und Lieferscheine der Abgangsort der Lieferung identifiziert werden können. Im Falle einer steuerpflichtigen Warenlieferung eines ausländischen Lieferanten mit Abgangsort der Warenlieferung im Inland ist Vorsicht geboten, da es zu  einer Abfuhrverpflichtung kommt.

Im Folgenden finden Sie einen Entscheidungsbaum, der Ihnen hilft einen Sachverhalt zu beurteilen:

 

Kurz & bündig

Die Abfuhrverpflichtung bzw. Haftung besteht für Unternehmen und juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn der Leistungserbringer weder einen Wohnsitz, noch einen gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Betriebsstätte im Inland hat und eine steuerpflichtige Leistung für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausführt. Nicht anzuwenden ist die Abfuhrverpflichtungen auf Sachverhalte, die dem Reverse-Charge-System unterliegen, wie bspw. sonstige Leistungen, Werklieferung, Bauleistungen oder die Lieferungen von Mobilfunkgeräten. Ebenfalls ausgenommen sind sonstige Leistungen betreffend Eintrittsberechtigungen gemäß § 3a Abs 11a UStG 1994. Somit ist Abfuhrverpflichtung primär auf im Inland steuerpflichtige Lieferungen anzuwenden, die von einem ausländischen Unternehmer ausgeführt wurden. Der Leistungsempfänger muss die vom ausländischen Unternehmen fakturierte österreichische Umsatzsteuer an das Finanzamt Graz-Stadt abführen um sich von der Haftung zu befreien. Sollte der ausländische Unternehmer keine österreichische Umsatzsteuer in Rechnung gestellt haben, muss der Leistungsempfänger trotzdem die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer berechnen und an das Finanzamt Graz-Stadt abführen.

 

Für weitere Informationen oder Fragen stehen Ihnen zur Verfügung:

  • StB. Mag. (FH) Michael Kern, LL.M. Tel.: 01/24721-304; e-Mail: michael.kern@steuer-service.at
  • WP/StB. Mag. (FH) Thomas Hlawenka Tel.: 01/24721-408; e-Mail: thomas hlawenka@steuer-service.at
  • Ihr persönliches Betreuungsteam

Alle bisherigen Quick News finden Sie auch auf unserer Website www.steuer-service.at unter der Rubrik "Service".